Krieg - Enteignung - Vertreibung
Eigentlich haben wir in Pirkenhammer wenig vom Krieg mitbekommen. Von Bomben wurden wir verschont. Bei Fliegeralarm wurden die Schulkinder alle in den alten Bierkeller unterm Martin-Wirtshaus gebracht. Der Zugang war an der Straße nach Funkenstein und führte tief in den Berg hinein. Überhaupt musste immer ein Kind im Gemeindeamt sitzen, um bei Voralarm schnell die Schule zu verständigen, damit die Kinder rechtzeitig die Schule verlassen konnten. Telefon gab es anscheinend noch nicht in der Schule. So haben wir viel Unterricht versäumt. War man zu Hause, wurde bei Alarm der Keller im Haus aufgesucht. Geeignete Keller waren mit LSR (Luftschutzraum) gekennzeichnet. Meine Tante Anna war bei uns der Luftschutzwart. Leider bekam sie bei Alarm immer Bauchweh vor lauter Angst. Durch das Kellerfenster sahen wir die Bomber, die genau über uns die Bomben fallen liessen, die aber dann Karlsbad trafen. Beim großen Bombenangriff auf Dresden am 13./14.Febr.1945 standen wir alle vor der Haustür und sahen nach Nordosten. Der Himmel war glühendrot, man hörte bis zu uns die Explosionen und alle wußten, daß es Dresden getroffen hat.
Am schlimmsten aber waren die Nachrichten von der Wehrmacht. Immer wieder kamen die Gefallenen- und Vermißtenmeldungen und fast alle Familien hatten Opfer zu beklagen. FamilienfotoAuch mein Vater wurde am 27.8.1944 in Rumänien vermißt und das jahrzehntelange Warten meiner Mutter auf ein Wiedersehen war umsonst. Er kam nie wieder und auch etliche Nachforschungen durch den Suchdienst des Roten Kreuzes haben nichts ergeben. Bei seinem letzten Urlaub 1944 pflückte er mir an der Straße nach Donawitz - ich weiß heute noch die Stelle - ein Vergißmeinicht, reichte es mir und sagte: "Vergiss mich nicht"! Ich war 9Jahre alt und habe es bis heute nicht vergessen. Er hatte eine Ahnung. Anlässlich dieses Urlaubs wurden auf Wunsch meiner Mutter im Garten Fotos gemacht. Er sagte: "Jetzt hast du endlich dein Familienfoto". 
So hat Pirkenhammer den Krieg leidlich überstanden. Zum Ende wurde natürlich das Essen knapp und man musste schon sehen, wie man etwas auftreiben konnte. Unsere Mutter fuhr auf`s Land , um für uns Kinder zu hamstern. So fuhr sie mit dem Zug nach Waltsch, weil sie gehört hatte, daß es dort Kirschen gebe. Auch zu unseren Verwandten sind Mutter und ich gefahren. Einmal hatten wir einen großen Koffer voll Kartoffeln ergattert. Wir mussten etliche Kilometer durch`s Feld laufen, um zu einem Bahnhof zu gelangen. Ich weiß den Ort nicht mehr. Der Koffer war für Mutter viel zu schwer und wir steckten einen Ast durch den Griff und schleppten zu zweit. Gottseidank ist der Griff nicht abgerissen. Am Bahnhof angekommen, fuhr kein Zug mehr und wir verbrachten die Nacht im Wartesaal. Der war voll mit Menschen. Viele verwundete Soldaten saßen und lagen dichtgedrängt am Fußboden. Ein Soldat mit nur einem Bein bat mich um meinen Stock und Mutter sagte: "Gib ihm den Stock, er kann ja sonst nicht laufen"! Als endlich ein Zug fuhr, war er gerammelt voll, auch außen auf den Trittbrettern hingen die Menschen. Alle wollten irgendwohin. Wir waren zum Glück innen und saßen auf unserem Koffer im Gang. Vom Bahnhof Aich-Pirkenhammer bis zum  Hammer mussten wir wieder schleppen. 
Wir kamen nach Hause und hörten, daß während unserer Abwesenheit Juden durch unseren Ort geführt worden sind Richtung Funkenstein und daß einer zusammengebrochen ist, der erschossen wurde. So merkten auch wir Kinder, daß unsere heile Welt in´s Wanken geriet, denn die Erwachsenen sprachen darüber nur im Flüsterton. 
8. Mai 1945 - Kriegsende. Eigentlich ein Grund zur Freude. Aber erst jetzt begann so richtig unser Elend. Zuerst stürmten die Partisanen durch unseren Ort. Sie raubten und plünderten. Wir verschlossen unsere Haustür. 
Dann die russischen Soldaten. Auch sie gingen nicht zimperlich mit der Bevölkerung um. Was alles passierte, ist bekannt. Leider ist das auf allen Kriegsschauplätzen dasselbe und wird sich wohl nie ändern. 
Die ersten Tschechen trafen ein. Es waren Nationaltschechen. Eine erste Gruppe von ihnen wanderte durch den Ort und besichtigte die Häuser. Einer von Ihnen war der Kommissar, er entschied sich für unser Haus (Bj.1937). Er war gleichzeitig auch Lehrer und unser Haus steht neben der Schule. Innerhalb von 30 Minuten mussten wir das Haus verlassen und durften nur mitnehmen, was die Herren erlaubten. Es war wie ein Blitz aus heiterem Himmel.Keiner hätte je gedacht, daß man uns aus unserem Haus jagen würde. 
Wir zogen gegenüber bei Großvater ein. 
Mutter wollte nichts unversucht lassen. Sie ging mit mir nach Karlsbad zu Baron Schöneck. Sie klagte ihm ihr Leid und ob er ihr nicht helfen könne. Er verneinte und tröstete sie, auch andere werden ihr Hab und Gut und Haus verlieren. 
Wirklich dauerte es nicht lange und ein tschechischer Bäcker beanspruchte Haus und Bäckerei meines Großvaters. Aber diesmal wurden wir einen Tag vorher benachrichtigt. Als die Nachbarn das hörten, kamen alle und räumten alles aus. Am nächsten Tag kam die tschechische Bäckersfamilie und wurde vorm Haus abgeladen mit ausgesprochen wenig Gepäck. Ich kann mich nur an einen großen Teigtrog erinnern, den sie dabei hatten. Sie zogen in die ausgeräumte Wohnung. Nach und nach brachten wir alles zurück, was je in dieser Wohnung stand. Wir selber bekamen zwei Räume in der Nachbarschaft und zogen da mit dem Großvater ein, wir hatten da sowieso nicht Platz für alles. Nun war Großvater vorerst auch ohne Arbeit und wir alle ohne Brot. Aber nicht lange. Nach ca 2 Wochen stand der tschechische Bäcker vor der Tür. Großvater soll kommen, das Brot backen. Er könne es nicht und außerdem wäre er krank. Großvater ging von da an wieder hin arbeiten. Er hatte strikte Anweisung, zweierlei Brot zu backen. Für die Tschechen mit Salz, für die Deutschen ohne Salz. Salz war Mangelware. Brot ohne Salz schmeckt furchtbar. Großvater war ein guter Bäcker. In unbeobachtetem Augenblick gab er auch Salz in das deutsche Brot. 
So kam der Winter 45/46 und es gab Schnee. Wir wollten auf die Hopseler rodeln gehen. Aber unser Schlitten war im Haus geblieben. Ein schöner großer Hörnerschlitten ausreichend für 3 Kinder. Eines Abends stellte ich mich an`s Bergl und wartete auf den Kommissar. Es war schon dunkel, als er kam. Ich bat ihn, mir meinen Schlitten aus dem Haus zu geben. Er lehnte ab, auch die anderen Kinder müssten ihre Schlitten abgeben. Das stimmte aber nicht. 
Im April 1946 bekamen wir eines Tages die Aufforderung, uns am nächsten Morgen am Gemeindeamt einzufinden zwecks Aussiedlung. Jeder durfte 50kg Gepäck mitnehmen. Leider hatten wir nicht mehr soviel, da ja alles im Haus geblieben ist. 
Wir wurden auf die Ladefläche von LKW`s verladen und fuhren zum letzten Mal durch unseren Heimatort vorbei an Haus, Kirche, Schützenmühle und Talsperre nach Meierhöfen. Niemals dachten wir daran, daß es 20 Jahre dauern sollte, bis wir unsere Heimat wieder sehen sollten. 
Wir waren beim ersten Transport und dabei waren Fam. Franz Kern, Fam. Neuerer (Kohlen), die Ullmann-Mädels, Fam. Stieler, Fam. Walther von Walther`s Höhen-Cafe, Ritter Olga mit Mann, Fam. Kottek/Hammerl , Fam. Regel/Krautzberger und noch einige, an die ich mich nicht mehr erinnere. Im Lager in Meierhöfen mussten wir alle Wertgegenstände und Sparbücher abgeben. Wir wurden untersucht, hauptsächlich auf Läuse. Kinder und Erwachsene, die welche hatten, wurden kahl geschoren. Rund um das Lager war ein Stacheldrahtzaun und am Tor stand ein Soldat mit Maschinengewehr. Auch patrollierten bewaffnete Soldaten rund um das Lager. Keiner von uns durfte raus und keiner rein. Unsere Tante Schaffer - sie war in Donitz ausgebombt und wir hatten sie aufgenommen - brachte uns einen Striezel, den Großvater vorher noch gebacken hatte. Am Kuchenende hatte er von meiner Mutter eine Kette mit Anhänger und eine Brosche eingebacken. Es war nichts Wertvolles, aber ein Andenken an meinen Vater. Die Tante stand draußen, wir drinnen. Sie reichte alles dem Soldaten. Der brach den Striezel genau in der Mitte auseinander, um zu sehen, ob was drin ist. Uns blieb das Herz stehen. Aber er merkte nichts und reichte es an uns weiter. Nach ca einer Woche wurden wir zusammengestellt und marschierten in Vierer-Reihen - unser Gepäck schleppend - zum Bahnhof. Rundum waren Soldaten mit Gewehren, die uns Kinder, unsere Mütter und unsere Alten bewachten. Junge Männer oder Väter waren ja nicht dabei, sie waren im Krieg geblieben. Am Straßenrand standen viele Menschen, die uns traurig nachsahen. Am Bahnhof wurden wir in Viehwaggons verladen, je 30 Personen mit Gepäck in einen Waggon. Das Gepäck wurde auf die eine Seite gelegt und darauf durften die Kleinkinder schlafen. Auf der anderen Seite saßen die Großen auf dem Fußboden. Die Türen wurden von außen verschlossen und wir fuhren 2 Tage und 2 Nächte, bis wir an unserem noch unbekannten Ziel ankamen. Als die Grenze passiert wurde, warfen wir unsere weißen Armbinden - die jeder Deutsche in der Tschechei tragen musste - aus dem vergitterten Fenster. Dort lagen bereits Berge davon. 
In Wiesau wurden wir vom Roten Kreuz empfangen und desinfiziert, d.h. von oben bis unten mit einer Spritze eingestäubt. Auch bekamen wir das erste Essen, ein Stück Wurst und ein Stück Brot. Am Karfreitag sind wir in Eltville angekommen und wurden in einem Lager untergebracht. Von dort wurden wir im ganzen Rheingau verteilt und landeten erst mal in einer Schule. Dann wurde uns eine Wohnung - 2 Zimmer unterm Dach - zugeteilt. Darin waren: 1 Tisch, 2 Stühle, 2 Matratzen, 1 Liegestuhl und ein Eisschrank, in  den man Eis einfüllen musste, nur wir hatten keines. Ein kleines Öfchen auf vier Beinen wurde uns zugeteilt. Das Holz zum Feuern mussten wir uns im Wald holen. 
Das war unser Anfang in der neuen Heimat. 
Vergissmeinicht

Wöi ich furt in d`Welt bin, bist in Schmerzn
bis zan Busch ban Wiesnboch mitganga.
Sellmal ho(b ich ghofft, daß unnra Herzn
fest u äiwigh oa(n rananna hänga,
du haust gwoint u haust dich oa(n mich ghängt
u miar zletzt nuch a kloi(n)s Bläiml gschenkt:
A Vergißmeinnicht.

Öitza bin ich endli wiedakumma
u ich stäih oa(n dera Stöll valaußn,
unna Herrgott haut dich za sich gnumma
u ich kumm ma vür als wöi vastaußn.
Sua wöi du is koina af da weitn Ear(d)n
u ma(n Herz koa(n nimma rouhigh wearn.
Ich vagiß dich neat!

Aus Egerland mein Heimatland
Josef Hofmanns Art und Erbe

Passt das nicht gut zu meinen Erinnerungen aus vorher beschriebener Geschichte ?

Bestimmung
Sua manchers kinnt,
sua manchers gaiht,
dös wos ma oft
niat recht vastaiht.

Ma schimpft draf zou,
ma greint u klagt,
is volla Gall
u ganz vazagt.

Doch nauch ra Waal
dau siaht ma a(n,
wos kumma is,
dös haut möi(ß)n sa(n.

sünst wa(r allszsamm,
wos recht u gout,
hingnumma wuarn
in Üwamout

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